Alles war vorbereitet für die Schlacht der Titanen, der beiden Großmeister die den bisherigen Turnierverlauf so dermaßen dominiert haben - Richard Rapport und Victor Laznicka. Rapport kam überraschender Weise etwa 10 Minuten zu spät, rückte gemütlich seine Figuren zurecht. Nur den e2 ließ er aus - der musste sofort in die Schlacht. Ungewöhnlich, Insider hatten bereits spekuliert, ob dieses Los eher dem Bauern b2 oder dem Springer b1 gebühren würde. Aber nein, e2-e4, die Partie fing an. Und war auch bald wieder vorbei. Wieder produzierte Rapport eine Kurzpartie, nur hatte er diesmal das Messer in seine eigene Brust gesetzt.
Rapport - Laznicka, eine Kurzpartie! Auf die hätte Weiß aber liebend verzichtet.
Nach dieser Partie passierte etwas, was ich noch nie bei einem Schachturnier beobachtet habe. Die beiden Meister hatten das Brett nicht wieder aufgebaut, das tödliche Springerschach auf e2 stand noch lange wie ein Kriegsmahnmal aus längst vergangenen Zeiten aufgebaut. Um den Tisch scharten sich weiterhin viele, viele Zuschauer obwohl keiner mehr am Tisch saß und die Partie vorbei war. Sie betrachteten diese Stellung ehrfürchtig, wie ein Denkmal oder eine Kultstätte, sprachen über das was sie sahen, oder begingen den Anblick in stiller Andacht. Neben dem Brett lagen noch unleserliche Quellen ausgestellt, Laznickas Partieformular etwa, welches er in diesem Turnier mit einem dicken grauen Filzstift auszufüllen pflegt. Mystik pur!
Typisches Openschach sah man hingegen in der einzigen Partie, die für Laznicka noch einen "Verfolger" produzierte.Andrey Vovk (sie erinnern sich, Remis in Runde 1) gewann gegen Kunin und hievte sich auf 7/8.
Andrey Vovk
In der neunten Runde reichten Laznicka dann drei Züge um sich genau so viele Tausend Euro an Preisgeld für den alleinigen Ersten zu sichern. Wir gratulieren recht herzlich, bereuen aber, dass Sven Noppes nicht daran gedacht hat, etwa einen Montblanc-Kugelschreiber als Zusatzpreis auszuschreiben, der Turniersieger würde einen dringeng gebrauchen können!
Die Archäologen der fernen Zukunft werden an diesem Schriftstück ganz schön rätseln müssen
Auch ein anderer Tscheche und gleichzeitig ein anderer Richard hatte heute Grund zur Freude. Richard Biolek jr. besiegte mit Schwarz (den etwas indisponierten) Epishin - sieht man auch nicht alle Tage!
Deutsche Großmeisterfeierlichkeiten müssen dagegen leider auf ein anderes Turnier verschoben werden. Dass es bei Blübaum nicht klappt, wussten wir gestern schon, bei Wagner und Poetsch ist es nach der heutigen Runde hinten auch länger als vorn. Ein freudigs Ereignis können wir aber präsentieren - (auch) durch die Lehren er aus der Cokommentierung beim Webradio gezogen hat, legte Jonas Lampert noch einen super Schlussspurt hin, bei einer Performance von 2510 muss es schon mit dem Teufel persönlich zugehen, wenn die IM-Norm da noch in Gefahr gerät.
Lampert scheint sein unglaubliches Glück zu ahnen, dass ihm gegen Thore Perske (links) den Sieg bringen wird.
Herzlichen Glückwunsch, it's a beautiful day!